Umdeutung, Politisierung – der Corona-Frühling im 1. Endemiejahr beginnt so, wie die vorherige Pandemiezeit aufgehört hat: Mit einem Krieg der Worte und des Framings. Zeit für einen kleinen Rückblick auf eine Rhetorik, die wir in vielen anderen Fällen erlebt haben & noch erleben.
Fangen wir an mit dem Wort „Präventionsparadox“. Dieses wurde noch vor der „Umdeutung“ gerne angewendet, um unliebsame Kritik zu delegitimieren. „There is no glory in prevention“, wird mein Freund und Kollege Christian häufig zitiert.
Oder, um es mit den Worten von Deutschlands bester Wissenschaftsjournalistin zu sagen: Auch wenn es keine Evidenz gibt heißt es nicht, dass etwas nicht wirkt. Homöopathische Evidenz, sozusagen. Doch stimmt dieses Vorsorgeprinzip denn?
Das Vorsorgeprinzip, so es denn korrekt angewendet wird, verbietet das Vorsorgeprinzip. Es ist ein Widerspruch in sich. Das Vorsorgeprinzip kann daher gar nicht hart genug attackiert werden.
Der schädliche Einfluss von Voreingenommenheit, die systematische Verdrehung von Gedanken und die Kraft der Schönfärberei, unter dem Deckmantel der Selbstsucht, hat uns erst in diese Lage gebracht.
Im Deutschland der Pandemie wurde ernsthaft darüber diskutiert, den Datenschutz aufzuheben, „da er für die Prävention lästig sei.“
Dabei ist gerade der Schutz von Daten ein „Supergrundrecht“. Viele von uns haben es in den letzten 3 Jahren jedoch aufgegeben, haben ihren Gesundheitsstatus und den einer medizinischen Intervention bereitwillig geteilt. Dabei ist allein schon der Glaube, ein komplexes System wie den Menschen per se kontrollieren und beherrschen zu können, zum Scheitern verurteilt. Das lehrt uns die Chaostheorie, oder noch einfacher, Murphys Law: Alles, was schief gehen kann, geht schief. Egal, wie sehr wir uns auf den Kopf stellen.
Das führte zur Suche nach einem Sündenbock, den man in den Maßnahmenkritikern fand, die man auf Grund einer kleinen Gruppierung aus Stuttgart „Querdenker“ taufte. Der eins positiv konnotierte Begriff (Herrn Ströbele, Gott hab ihn selig, wurde er ja geraubt) bekam durch mediale Intervention solch einen negativen Spinn, dass er auch heute noch im gleichen Atemzug wie „Nazi“, „Rechtsextremisten“ und „Reichsbürger“ genannt wird.
Den Höhepunkt seiner Diffamierung erreichte er mit dem Hashtag #QuerdenkerSindTerroristen, bereitwillig gestreut und genutzt von ebenden Leuten, welche sich ansonsten gegen Pauschalisierungen einsetzen und marginalisierte Gruppen beschützen wollen. Ein größeres Paradox noch, als das der Prävention.
#SterbenMitStreeck war, so wie die gezielten Hashtag-Angriffe auf @ArminLaschet, auf der gleichen Schiene des unreflektierten Angriffskrieges auf Andersdenkende und machte einen Dialog nicht nur schwer, sondern schier unmöglich.
„Mit Nazis und damit #Covidioten spricht man nicht“, man muss sie ausgrenzen, ächten und mit dem Finger auf sie zeigen, auf dass sie von ihren Machenschaften ablassen und zurück auf die Seite des Guten wechseln, deren Deutungshoheit ein Teil der Gesellschaft für sich alleine beansprucht.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die herablassende Behauptung, man würde es ja nur mit einer Minderheit zu tun haben, die man guten Gewissens nach entmenschlichen und boykottieren könnte (63% waren dafür).
Das kulminierte schließlich in der, von Kanzlerin Merkel bereits sehr früh angekündigten, Ausgrenzung und Stigmatisierung derjenigen, welche für sich entschieden hatten, den Impfstoff zu verweigern.
Mit der #PandemiederUngeimpften wurde, nicht nur in Deutschland, sondern auch bspw. in den USA und Großbritannien, eine PR- und Marketingkampagne für die Impfstoffe aufgefahren, deren Nachwirkungen heute noch Familien und Freundschaften entzweien.
Als Montgomery diesen Satz im deutschen Fernsehen von sich gab, war er bereits weltweit verbreitet und sorgte für eine Hexenjagd auf „Unwillige Volksschädlinge“, denen man ärztliche Behandlung, Arbeitslosengeld und generell die soziale Teilhabe entziehen sollte. Ob am Glühweinstand oder im Arbeitsumfeld.
Das ist keine Umdeutung, sondern Deutschland in den Jahren 2020-2023. Risiken und Nebenwirkungen waren plötzlich Parias der Diskussionskultur, welche, könnte sie sich selbst äußern, mit und an Corona verstorben ist. Auf einmal galten die Grundprinzipien des Grundgesetzes nicht mehr, wurden Menschen auf der Straße von der Polizei angegangen, welche das hart erstrittene und mit viel Schweiß und Tränen erarbeitete Manifest unserer Verfassung vor sich her trugen. Es sei eine „Politische Botschaft“, die man nicht dulden könne.
Auf der anderen Seite, und die sollte man nicht aussparen, wurde ähnlich, aber längst nicht so geschickt und mit solch einer medialen Macht zurückgeschlagen. Vergleiche mit der Behandlung der Juden oder dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurden herangezogen, was nur noch mehr dafür sorgte, dass „die Gesellschaft“ die vermeintlichen Querdenker ablehnte.
Unvergessen der Vortrag einer jungen Frau, die sich im Geiste mit Sophie Scholl sah. Gelbe „Ungeimpt“-Sterne sah man dabei nicht nur in Deutschland, sondern weltweit und sogar und vor allem auch in Israel, wo man mit einem von Kritikern „Impfapartheit“ genannten Druck denselben auf die Unwilligen ausübte. Doch all dieser Druck sorgte für noch mehr Widerstand, sorgte dafür, dass unabhängige Menschen sich der Hand, die sie erdrücken wollte, entzogen.
Unter #ichhabemitgemacht wurden schließlich, so die Rhetorik, „Feindeslisten“ erstellt, also eine Auflistung von Aussagen, die man vor 2020 noch für Unsagbar gehalten hat. „Hass und Hetze“ kann es schließlich nur von einer Seite geben, und so schließt sich der Kreis zur heutigen Politisierung und Umdeutung. Das gute, alte „Wir wussten es ja nicht besser“, lange Zeit von Gegnern des allgemeinen Narrativs vorhergesagt, ist gerade auch in Österreich angekommen und man möchte sich über die „Expertenhörigkeit“ austauschen.
Genauso gut könnte man Andi Scheuer ein neues Mautprojekt an die Hand geben, das Ergebnis wäre vermutlich das selbe.
Sprache, und besonders das Nutzen von Kampfbegriffen, ist ein perfides Mittel der Massenmanipulation. Propaganda ist keine Erfindung der Nazis, das Lächerlichmachen und Kleinreden von Kritikern genauso wenig. Und doch sollte gerade die deutsche Gesellschaft es besser wissen, sollte erkennen, wer sie wie und wo manipuliert und ihnen einen Bären aufgebunden hat, den sie mit ihren eigenen Ängsten stetig gefüttert haben. Und es heute noch tun.
Erich Kästner sagte bereits im Jahr 1930: „Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.“
Zu viele Menschen haben ihn gekostet und Gefallen daran gefunden. Spucken Sie ihn aus. Bitte.