Wer einer Sekte beitritt, sucht einen Ausweg. Er steht in einer Krise und erlebt in der Sekte zumindest vorerst Erleichterung. Bei jungen Menschen, aber auch bei alten ist bei einem Sektenbeitritt heute häufig Einsamkeit das Hauptmotiv. Gemeinschaften mit organisierter Zuwendung („Love Bombing“) gratulieren einem überschwänglich zur getroffenen Entscheidung. Kritiker werden dagegen diffamiert, entmenschlicht und vom Kollektiv ausgeschlossen. Das gilt auch für Freunde und Verwandte, welche das Sektenmitglied versuchen, mit Fakten aus dieser Abhängigkeit zu befreien, von der dieses jedoch bereits emotional abhängig ist.
Sekten erreichen häufig junge Menschen, deren soziales Netz gelockert und deren soziale Kompetenz zur Gewinnung neuer Freunde beschränkt ist. Daneben sprechen Seniorinnen und Senioren naturgemäss gehäuft auf Gemeinschaften an, die körperliche Heilung versprechen. Häufig anfällig sind Personen in den mittleren Lebensjahren, die sich in einer beruflichen und privaten Sackgasse-Situation erleben. Wer einer Sekte beitritt, fühlt sich zuerst entlastet. Das Problem, das in die Sekte führte, ist zumindest scheinbar gelöst. Das neue Ziel im Leben, das die Sekte schenkt, beflügelt. Der Beitretende „hat geweint vor Glück“ und hängt Devotionalien seines Beitritts an die Wand. Die Gemeinschaft wendet sich dem Neuen liebevoll zu. Daraus können Rosa-Wolken-Gefühle entstehen, die Aussenstehende an eine Verliebtheit erinnern.
Sehr bald wird Sektenliteratur gelesen. Kaum eine Gemeinschaft produziert keine Literatur. Wo es keine Literatur gibt, da existiert – mit ganz wenigen Ausnahmen – keine Sekte. Inhalte, welche dem eigenen Weltbild widersprechen, werden als Verschwörungstheorie gebrandmarkt. Meist erst nach einiger Zeit zeigen sich die Folgen: Immer neue Forderungen, die man vermeintlich bereits erfüllt hat. Diese Goalposts werden kontinuierlich verschoben, um die Person in Abhängigkeiten von der Gruppe zu halten. So werden aus Zielen von einem Jahr bald 6 Monate.
Wer aus der Sekte austritt, weil er die stetig steigenden Anforderungen nicht mehr erfüllen will, wird gebrandmarkt und von der Masse der anderen Mitgliedern als Untermensch beschimpft – das ehemalige Mitglied sinkt noch eine Stufe tiefer und wird psychologisch fertig gemacht. Andersdenkende, die sich offen gegen die Sekte stellen, müssen damit rechnen, dass ihr Lebensumfeld von Mitgliedern der Sekte attackiert wird. Schmähanrufe beim Arbeitgeber sind keine Seltenheit. Sollten Ihre Liebsten in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten sein, helfen häufig nur Liebe und keine moralischen Vorwürfe.
In aktuellen Fällen erkennen die Betroffenen leider erst zu spät, dass man sie von Beginn an belogen und mit falschen Versprechungen gelockt hat. Vermeintliche Freiheiten werden trotz vollbrachter Leistung wieder genommen. Das Ziel, alle Menschen für die eigenen Zwecke der Sekte zu rekrutieren, steht dabei immer im Vordergrund.
Wenden Sie sich an offizielle Beratungsstellen. Doch Vorsicht! In letzter Zeit haben manche Sekten auch diese bereits übernommen und wollen Sie ins Kollektiv holen. Lassen Sie sich dann auf keine Diskussion ein und beenden Sie das Gespräch. Bevor Sie selbst zum Opfer werden.